Nach dem lockeren Einstieg gestern Abend ging es heute in medias res. Kelly Graf, eine der drei Hauptorganisatorinnen, sorgte mit ihrem Vortrag für einen guten Einstand. Lebhaft und wortgewand stellte sie die neuesten Forschungsergebnisse aus Nordost-Sibirien vor. Nach diesen Aussagen und denen ihres Kollegen Vladimir Pitulko (ein schlechter Vortrag, nicht nur wegen des kaum erkennbaren Englisch) kann die Erstbesiedlung Amerikas über Beringia nicht früher als vor 30000 Jahren erfolgt sein. Vorher waren in Nordsibirien keine Menschen.
In der Ausstellung kann man sich Hunderte von Pfeilspitzen, Faustkeilen und anderen Artefakten ansehen.
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Zu den interessanten Details gehörte die Erwähnung früher Kunst, weiblicher Figuren von Mal'ta und Kelly Grafs provokante Einordnung in eine Reihe so genannter Venus-Darstellungen im westlichen Eurasien. Erwähnenswert ist in Sachen Kunst auch der Fund von zwei Objektpaaren in Alaska, die Ben Potter in seinem Vortrag vorsichtig als Ohrringe ansprach.
Mal'ta spielte dann am Nachmittag eine zentrale Rolle im Vortrag des Dänen Eske Willerslev mit noch nicht veröffentlichten Ergebnissen der genetischen Sequenzierung einer männlichen Bestattung. Das Mal'ta-Individuum, so die These grob zusammengefasst, stellt genetisch eine direkte Verbindung zwischen Europäern (also westlichen Eurasiern) und Amerikanern her. Das Vorhandensein europäischer genetischer Sequenzen im Erbgut der Amerikaner bedürfe also keiner frühen transatlantischen Einwanderung.
Willerslev bezog sich damit ausdrücklich auf einen Vortrag vom Vormittag: Dennis Stanford präsentierte neue Ergebnisse zur Stützung der so genannten Solutreen-Hypothese. Diese besagt, dass Träger der eiszeitlichen Solutreen-Kultur aus Nordspanien entlang des kontinentalen Gletscherrandes nach Amerika gekommen sind und dort die Grundlage für die Clovis-Kultur gelegt haben. Diese These stützt sich ausschließlich auf der großen Ähnlichkeit der Clovis- und der Solutreenklingen, von denen eine passende Auswahl in Santa Fe ausgestellt ist.
Stanford zufolge gibt es - Stand September 2013 - in der Chesapeak Bucht an der amerikanischen Ostküste inzwischen fünf Fundstellen mit einem Alter von mindestens 20000 Jahren. Das sind etwa 7000 Jahre vor Clovis. Stanford gibt selbst zu, dass die Datengrundlage für seine These sehr dünn ist. Die Befunde der besagten Fundplätze passten aber gut in die Theorie, ließen sich jedoch nicht mit der Einwanderung des Menschen aus Sibirien erklären.
Ich will mich jetzt nicht auf eine grundsätzliche, aber laienhafte Kritik an der Solutreen-Hypothese einlassen, sondern auf einen weiteren sehr interessanten Vortrag eingehen:
Connie Mulligan erläuterte das so genannten Drei-Phasen-Modell (Three Stage Colonization Model for the Peopling of the Americas). Die drei Phasen sind:
a) Abspaltung und Isolation der künftigen Amerikaner von ihren asiatischen Vorfahren in Sibirien
b) Einwanderung in die Beringia-Landbrücke und Aufenthalt dort für sechs- bis elftausend Jahren
c) Einwanderung nach Amerika nicht früher als vor 16000 Jahren
Ihre Argumentationskette war sehr überzeugend, was vielleicht an ihrer sehr enthusiastischen Vortragsweise lag.
a) Abspaltung und Isolation der künftigen Amerikaner von ihren asiatischen Vorfahren in Sibirien
b) Einwanderung in die Beringia-Landbrücke und Aufenthalt dort für sechs- bis elftausend Jahren
c) Einwanderung nach Amerika nicht früher als vor 16000 Jahren
Ihre Argumentationskette war sehr überzeugend, was vielleicht an ihrer sehr enthusiastischen Vortragsweise lag.
Einige nicht ganz so spannende Vorträge und die Pausen verschafften allen genügend Zeit, die Artefakte-Ausstellung (Foto) und die Posten-Präsentationen ausführlich zu besuchen. Die Vielfalt war schon beeindruckend. Überhaupt: Mit, wie ich gehört habe, rund 1000 Teilnehmern ist das sicherlich eine der größten Archäologie-Veranstaltungen weltweit.
Den Tag hatte Chief Jose Lucero aus dem Santa Clara Pueblo mit einem Segen in seiner Sprache (Tewa) eröffnet. Auf Englisch versäumte er es im Anschluss nicht anzumerken, dass sein Stamm schon drei Regierungen erlebt habe: die spanische, die mexikanische und jetzt die der USA - wer wisse schon, was als nächste komme.
Am Ende eine persönliche Anmerkung: Um halb sieben aufstehen und dann über Stunden Vorträge in einer fremden Sprache zu folgen, ist ganz schön anstrengend - aber Spaß macht es trotzdem.
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