19.10.2013

Noch ein zorniger Archäologe

Neben Tom Dillehay gehört James Adovasio zu den Lieblingsfeinden der konservativen amerikanischen Archäologen. So stellt er sich jedenfalls gerne dar. Vor 40 Jahren hat er mit der Ausgrabung von Meadowcroft Rockshelter begonnen und musste Jahrzehnte um die Anerkennung dieser Prä-Clovis-Stätte ringen. Heute Vormittag hatte er seinen Auftritt als zorniger Archäologe.
Die Rekonstruktion eines 10 000 Jahre
alten Speeres wird vorgeführt.
Seinen eigentlichen Vortrag kann ich übergehen, weil er nichts Neues enthielt. Es war eine Zusammenfassung der aktuellen Prä-Clovis-Debatte mit vielen Wiederholungen dessen, was andere vor ihm ausgeführt hatten. Außerdem war er nur schwer zu verfolgen, weil A. seinen Text geradezu runterratterte. Aber er hat am Ende die Devise für den Fortgang der wissenschaftlichen Arbeit ausgegeben: "Wir müssen nicht auch noch den letzten Skeptiker überzeugen."

Dabei ist Meadowcroft nicht einmal die älteste Prä-Clovis-Fundstätte.

Unverkennbar war am letzten Tag der Konferenz, dass alle wichtigen Akteure endlich die fruchtlosen Debatten über Prä-Clovis hinter sich lassen wollen. Es herrscht vielleicht noch keine Aufbruchstimung, aber sie wurde mehrfach beschworen. Gemeinsamer Nenner:
»There is no longer any credible doubt that people were in America before Clovis« (Michael Collins).
Die Frage ist nur, wie lange vorher schon jemand dort war. Es gibt eine Reihe von Grabungsstätten mit sicher datierten Artefakten wie Meadowcroft, Friedkin, Cactus Hill etc., die die Grenze deutlich hinter 15000 Jahre vor der Gegenwart verschieben. An dieser Stelle sei an die "genetische" Grenze erinnert, die das Drei-Phasen-Modell aufweist: 16000 Jahre.

Michael Collins zieht die Grenze bei ungefähr 20 000 Jahren. Aus dieser Zeit stammen Doppelspitzen-Faustkeile aus der Gegend der Chesapeak-Bucht an der Atlantikküste. Sie stellen das - vermeintliche - Bindeglied zwischen Clovis und Solutreen dar. Auf etwa 25 000 Jahre kommen Ausgräber in Toca da Pena in Brasilien. Dort gibt es Megafauna-Knochen mit Schnittmarken,  die auf dieses Alter datiert werden. Irgendwo in dieser Spanne könnten auch Prä-Clovis-Funde aus Topper/South Carolina liegen. Das besondere an diesem so genannten Clariant-Complex: Die Werkzeuge weisen eher in die Alte als in die Neue Welt.

Noch weiter in die Vergangenenheit weist eine ganze Reihe von Mammut-Funden aus der amerikanischen Steppe, einem anspruchsvollen Lebensraum ohne Bäume, der vom Yukon in Kanada über die Great Plains bis nach Mexiko reicht. Diese Knochen, die alle älter als 20000, 25000 Jahre alt sind, ben laut Steven R. Holen Bruchstellen und Beschädigungen, die nur von Menschen mit Werkzeug (einem schweren Stein) erzeugt worden sein konnten. Er plädierte dafür, bei der Untersuchung von Mammutfunden, die älter als 20000 Jahre sind, nicht mehr nur paläontologische Methoden heranzuziehen, sondern auch archäologische.

In die gleiche Richtung gingen die Appelle von Michael Collins und Thomas Stafford (der Geologe hat einen Großteil der Radiocarbondatierungen der Clovis- und Prä-Clovis-Stätten der jüngeren Zeit vorgenommen): Es sollten keine Möglichkeiten von vornherein ausgeschlossen werden, jede Anregung sollte aufgenommen, jede Festlegung hinterfragt werden.

Das Schlusswort der Konferenz hatte Stafford: Lasst uns ein fünfjähriges Moratorium für Pessimismus einhalten.

Mein (inhatliches) Resümee der Konferenz lautet: Statt mehr Klarheit zu gewinnen, ist die Ungewissheit gewachsen. Anderseits bestätigt der aktuelle Stand der Suche nach dem ersten Amerikaner mein Credo, dass alle Prozesse, in denen Menschen involviert sind, sehr komplex sind und es keine einfachen Antworten gibt.

Das Foto zeigt Leslie, einen Mitarbeiter der Firma (?) Pastskills aus Bozeman in Montana, der die Handhabung und Herstellungsweise eines nachgebauten cloviszeitlichen Atlatl-Wurfsperr erläutert. Das Original aus Birkenholz wurde 2007 in den Rocky Mountains entdeckt.

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